Ein Hacker brauchte nur zwei Tage, um die Kontrolle �ber die Stadtwerke in Ettlingen zu �bernehmen. Er zeigte: Die Stromnetze in Deutschland sind nicht sicher.
Es ist Zeit f�r einen Anruf. "Noch ein paar Klicks, dann ist es dunkel", sagt Felix Lindner. Wenn er jetzt seine Finger bewegt, geht in der s�ddeutschen Stadt Ettlingen das Licht aus. 40.000 Einwohner haben dann keinen Strom mehr. 200.000 Wasserpumpen k�nnten jetzt still stehen, weil der Hacker Felix Lindner sein Ziel erreicht hat.
Am anderen Ende der Leitung sitzt der W�chter �ber den Strom in Ettlingen, Eberhard Oehler. Der Gesch�ftsf�hrer der Stadtwerke erschrickt, als er die tiefe Stimme h�rt. Hat der tats�chlich die Leitwarte, die Zentrale seiner Stadtwerke, geknackt?
Oehler h�lt den Atem an. In seinem Kopf l�uft ein Film mit schnellen Schnitten ab: tote Telefone und Computer, funktionsunt�chtige Mobilfunkmasten, Supermarktkassen, Benzinzapfs�ulen, Fahrst�hle, Kochherde, Radios. Ettlingens Altstadt mit dem markgr�flichen Schloss liegt lahm in diesem Film.
Dann l�sst der Schock nach. Oehler wei� ja: Dieser Hacker wird die Lichter in Ettlingen nicht ausschalten. Er hat ihn selbst engagiert f�r diesen Angriff auf sein Stadtwerk.
Und der Hacker Felix Lindner ist einer der bekanntesten Experten f�r IT-Sicherheit in Deutschland. W�hrend seines Angriffs sitzt er nur wenige Hundert Meter entfernt von Oehlers B�ro im G�stehaus der Stadtwerke am Rechner. Viel Zeit hat er nicht gebraucht, um ins vermeintlich abgesicherte Herzst�ck der st�dtischen Stromversorgung einzudringen.
"Als er anrief, war meine Resthoffnung dahin, dass man das vielleicht doch nicht schafft", sagt der Gesch�ftsf�hrer der Stadtwerke.
Mit dem gezielten Penetrationstest unter Livebedingungen, der erstmals �ffentlich gemacht wird, wollten Oehler und "FX", wie sich Lindner auch nennt, nicht nur Schwachstellen im Ettlinger Versorgungssystem aufdecken. Sie machen auch auf eine bislang untersch�tzte Entwicklung aufmerksam: Mit der Energiewende, die innovativ auf dezentrale und computergesteuerte Stromversorgung setzt, werden die Netze zugleich anf�lliger f�r Cyber-Angriffe, weil mit den neuen Technologien auch die Zahl der Angriffspunkte w�chst. Wie viele andere Systeme wird auch Deutschlands Infrastruktur ? Strom, Wasser, Verkehr ? umso verwundbarer, je mehr sie von digitalen Systemen abh�ngig ist.
Die wirtschaftlichen Folgen eines Ausfalls der Stromversorgung k�nnten dramatisch sein. In einer Metropole wie Berlin w�rde ein einst�ndiger Blackout zur Mittagszeit knapp 23 Millionen Euro kosten, sch�tzt das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut.
Viel schwerwiegender als ein kurzer lokaler Ausfall wie in Ettlingen w�re ein gleichzeitiger Angriff auf mehrere miteinander verbundene Netze. Der Bestsellerautor Marc Elsberg hat vor zwei Jahren die Konsequenzen in seinem Roman Blackout drastisch ausgemalt: Nach einer listigen Cyber-Attacke durch Terroristen herrscht in seiner Geschichte zwischen Rom und Br�ssel Chaos, weil Ampeln, Flugzeuge und Z�ge ausfallen, weil Nahrungsmittel und Medikamente ohne K�hlung knapp werden und Toilettensp�lungen, Heizungen und Produktionsmaschinen tot sind. Der Dow-Jones-Index f�llt im Sturzflug. Die Zivilisation steht auf der Kippe.
Stadtwerkechef Eberhard Oehler hat den Roman mit Spannung gelesen. Die technischen Details, die der Handlung zugrunde liegen, seien gut recherchiert, sagt er. Die Geschichte habe ihn wie viele Netzexperten und Katastrophensch�tzer beunruhigt. Beim Lesen habe er bisweilen gedacht, "verdammt, das ist ja ein Fachbuch", sagt Oehler, auch wenn eine perfekt koordinierte Kettenreaktion, wie sie im Buch konstruiert wird, extrem unwahrscheinlich sei.
Oehlers Aufmerksamkeit f�r das Thema war gesch�rft, aber der Ansto� f�r den Realit�tstest kam von au�en. Die Hamburger Produktionsfirma filmtank fragte an, ob der Stadtwerkedirektor f�r eine Dokumentation �ber Netzkriege des Fernsehsenders Arte mit FX im Interesse von Sicherheit und Aufkl�rung zusammenarbeiten wolle. Nach einigem Nachdenken sagte er zu.
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